Der Bundestrainer trat zurück, die WM wird nun definitiv verschoben. Für die Herrennationalmannschaft gab es in den vergangenen Wochen viele Änderungen und Unruhe. Im Interview erzählen uns die neuen Trainer, wie sie das erste Trainingslager empfunden haben, wie sie die Entwicklung des deutschen Floorballsportes wahrnehmen, und welche Pläne sie mit der Herrennationalmannschaft haben. 

Das neue Trainergespann der Herrennationalmannschaft besteht aus Ilkka Kittilä und Mika Valtonen. Die beiden Finnen übernehmen nach Rücktritt von Remo Hubacher und Johan Nilsson das Team. Atte Ronkanen war ursprünglich als neuer Interimscheftrainer eingesprungen. Doch mit der Mitteilung der IFF, dass die Weltmeisterschaft 2020 in Helsinki in das Jahr 2021 verschoben wird, war klar, dass Ronkanen künftig nur noch die Position des Sportchefs bei Floorball Deutschland besetzt. In dieser Position ist er bereits mit möglichen weiteren Trainern im Gespräch, die den Staff dann komplettieren sollen.

Floorball Deutschland: Ilkka und Mika, ihr seid beide komplett neu im deutschen Herrennationalteam. Wie seid ihr zu dieser Position gekommen?

Ilkka: Atte und ich kennen uns schon lange, wir spielten in der Saison 2013 / 14 gegeneinander, als Atte noch beim MFBC Leipzig spielte und ich beim UHC Weißenfels. Als ich 2019 wieder nach Deutschland kam, um den UHC Weißenfels zu coachen, hatte ich mir schon überlegt, dass ich es spannend fände mit einem deutschen Nationalteam zu arbeiten. Als Atte dann Headcoach wurde, hat er mich kontaktiert. Die Verhandlung mit Atte ging schnell, und auch die mit meinem Verein. So war es für mich eine einfache Entscheidung den Job anzunehmen. 

Mika: Als Atte zuletzt in Finnland spielte, war ich sein Trainer. Es lief anscheinend ganz gut, da er mich direkt für die Position kontaktierte. Die Verhandlungen waren einfach, da ich auch Ilkka schon als Coach in Finnland kannte, und wir beide eine ähnliche Idee davon haben, wohin sich der Sport entwickeln soll. 

FD: War das eine einfache Entscheidung? 

Mika: Eigentlich wollte ich für die kommende Saison eine Pause als Coach machen, aber als Atte mich anrief war ich direkt dabei, also ja eine einfache Entscheidung. 

Ilkka: Deutschland ist zu meiner zweiten Heimat geworden, deshalb bin ich wirklich an der Entwicklung des deutschen Floorballs interessiert. Deswegen war die Entscheidung einfach für mich. Ich bin stolz darauf das Land zu repräsentieren, mit dem ich schon so lange eine so spezielle Beziehung habe.

FD: Alles ging sehr schnell mit dem Rücktritt von Remo Hubacher, Johan Nilsson und Stefan Erkelenz. Wie war das für dich? Was hat dich dazu bewogen, den Job des Bundestrainers so schnell zu übernehmen?

Atte: Es war sicherlich nicht einfach. Wir mussten aber sehr schnell reagieren, weil es schade gewesen wäre, wenn man das Trainingslager hätte absagen müssen. Allerdings mussten wir auch die WM einplanen. Damals stand es noch nicht fest, ob die verlegt wird oder nicht.

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FD: Nach dem Entscheid, dass du neuer Interimstrainer wirst, folgte sehr schnell die Meldung von einem ganz neuen Trainerstab. Wie konntest du diesen so schnell aufbauen?

Atte: Ich hatte schon mal mit Ilkka über seine Zukunft als Trainer gesprochen. Wir kennen uns schon länger und ich weiß, was Ilkka uns als Trainer anbieten kann. Er kennt den deutschen Floorball und viele Spieler auch. Dann haben wir gemeinsam überlegt, wer uns unterstützen könnte und beide von uns fanden Mika als beste Lösung für uns. Wie Mika bereits gesagt hat, kennen wir uns auch schon etwas länger, da er damals schon mein Trainer war. Wir haben alle drei dieselben Gedanken, wo unsere Reise hingehen soll.

FD: Das erste Trainingslager seit dem Lockdown war am vergangenen Wochenende. Du kanntest viele der Spieler schon vorher, wie war dein Eindruck?

Atte: Ich fand es super. Alle waren fit und sehr motiviert. Einige hatten schon mehrere Testspiele hinter sich, einige noch keine. Es ist natürlich alles etwas schwierig wegen der Situation in der Welt. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

FD: Das erste Auswahltrainingslager liegt hinter euch, was war dein Eindruck?

Ilkka: Mein erster Eindruck war, dass wir viele Athleten haben, die wirklich das Beste in die Nationalmannschaft einbringen wollen, und Neues lernen möchten. Nach dem ersten Trainingslager bin ich noch gespannter auf die Arbeit mit dem Team. 

Mika: Ich konnte leider wegen Covid-19 und den finnischen Regeln nicht nach Deutschland reisen. Aber ich habe die Vorbereitung des Trainings begleitet, und habe danach Videos bekommen, welche ich mit Atte und Ilkka besprochen habe.

FD: Ilkka, du kennst ja schon einige Spieler und die Teams. Was sagst du zum Niveau des Nationalteams und der Liga?

Ilkka: Das Niveau der Liga hat sich definitiv gesteigert, verglichen zu der Zeit, als ich als Spieler in der Bundesliga gespielt habe. Wir haben viel Potenzial, welches wir mit harter Arbeit ausschöpfen können. Dennoch müssen wir uns immer daran erinnern, dass die meiste Arbeit in den Clubs passiert, deshalb müssen wir hier künftig auch besser kommunizieren. Denn der Fortschritt der Nationalmannschaft geht Hand in Hand mit dem der Liga. 

FD: Mika, du kommst mit einem neuen Blick von außen. Was kannst du sagen?

Mika: Vorher kannte ich die deutsche Nationalmannschaft nicht gut. Ich habe jetzt einige WM Spiele nachgeguckt, und auch die übertragenen Vorbereitungsspiele verfolgt. Im Moment kann ich sagen, dass ich Potenzial sehe, das Team weiterzubringen.

FD: Anfang letzter Woche wurde bekanntgegeben, dass die WM auf das Jahr 2021 verschoben wird. Habt ihr damit gerechnet? Was ändert sich jetzt an eurer Vorbereitung?

Atte: Damit haben wir schon gerechnet. Wir hatten deshalb zwei verschiedene Pläne. Als nächstes steht in unseren Kalendern das Trainingslager im November. Wir haben natürlich etwas mehr Zeit gewonnen und die Zeit müssen wir jetzt richtig ausnutzen. 

Für mich persönlich heißt es, dass ich wieder auf Trainersuche gegangen bin. Wir haben viele gute Optionen.

FD: Die Weltmeisterschaft findet nun 2021 statt, was sind die nächsten Schritte bis dahin?

Ilkka: Die größte Stärke des deutschen Floorballs sind die schnellen und direkten Konter. Das sollten wir uns beibehalten. Gleichzeitig müssen wir mehr Varianten in unser Offensivspiel einbringen. Auch unser Defensivspiel müssen wir noch vor der Weltmeisterschaft weiterbringen. Im nächsten Trainingscamp wollen wir damit langsam anfangen, wir haben ja nun etwas Zeit gewonnen. Gleichzeitig möchten wir im nächsten Trainingslager auch nochmal viele Spieler anschauen, um diese besser auf und neben dem Feld kennenzulernen. 

FD: Habt ihr mit der Verschiebung der Weltmeisterschaft gerechnet?

Mika: Nachdem ich den Job annahm, habe ich einige Telefonate geführt. Da wurde mir bereits gesagt, dass sie verschoben wird. So war uns als Trainerteam die Verschiebung schon bekannt. 

FD: Für euch alle ist es eine Weltmeisterschaft in eurem Heimatland, in dem ihr Deutschland vertretet. Gibt es da besondere Gefühle oder Druck, den ihr empfindet, wenn ihr an die WM denkt?

Atte: Zur WM reise ich nun als Sportdirektor und nicht mehr als Trainer, aber ich finde es trotzdem sehr spannend. Wieder eine gute Möglichkeit zu zeigen, welches Potential der deutsche Floorball hat.

Mika: Für mich ist es eine große Ehre Teil des deutschen Teams zu sein, gerade wenn wir in Finnland spielen. Ich denke wir können als Team viel zeigen. Ich freue mich auf die Möglichkeiten, die sich uns bieten werden.

Ilkka: Wenn ich an die WM denke, fällt mir vor allem ein, dass sie näherkommt. Aber auch, dass ich mein momentanes Heimatland in meinem eigentlichen Heimatland vertreten kann, finde ich genial. Wie Mika sehe ich vor allem Möglichkeiten und spüre keinen speziellen Druck. 

FD: Was erwartet ihr von der Weltmeisterschaft?

Atte: Wir wollen die Gegner in unserer Gruppe ärgern und besiegen. Außerdem die ersten Schritte Richtung Top 4 machen. Unsere Ziele sind aber eher langfristig. Wir wollen unser Spiel weiterentwickeln. Neue Ideen hineinbringen, ohne dass wir die guten Sachen von früher vergessen.

Mika: Realistisch betrachtet werden Schweden und Finnland besser sein als wir. Jetzt haben wir ein Jahr Zeit uns weiterzuentwickeln. Ich halte es für ein realistisches Ziel, dass wir es dann mit Tschechien und der Schweiz aufnehmen können. Das ist ein durchaus ambitioniertes Ziel, dafür brauchen wir harte Arbeit, Engagement, aber auch Freude von jedem einzelnen Spieler. 

Ilkka: Nicht nur mit dem Blick auf die Weltmeisterschaft, sondern auch generell sollte unser Ziel sein, unseren fünften Weltranglistenplatz in den nächsten Jahren zu stabilisieren. Ich sehe es wie Mika, wir können zum Beispiel Tschechien jetzt schon in einem Spiel herausfordern. Unser Ziel ist es, das Team so weiterzubringen, dass wir das konstant können und die Lücke zu den Top 4 der Welt schließen.